Chronische Herzinsuffizienz

Herzinsuffizienz (Herzschwäche): Herabgesetzte Herzleistung mit der Folge verminderter Blutversorgung von Lunge, Muskulatur und allen anderen Organen und mehr oder minder limitierter körperlicher Leistungsfähigkeit.

Einer Herzinsuffizienz liegen Erkrankungen des Herzens oder anderer Organe wie z. B. den Gefäßen oder der Schilddrüse zugrunde. Im Gegensatz zur rasch entstehenden akuten Herzinsuffizienz, z. B. in den ersten Stunden und Tagen nach einem Herzinfarkt, entwickelt sich die viel häufigere chronische Herzinsuffizienz langsam, über Monate bis Jahre hinweg.

Die chronische Herzinsuffizienz ist überwiegend eine Erkrankung des höheren Lebensalters. Mit 65 Jahren leiden etwa 2 % der Bevölkerung an einer Herzinsuffizienz, bei über 80-Jährigen sind es bereits 10 %. Durch die steigende Lebenserwartung und die besseren Behandlungsmöglichkeiten von früher tödlich verlaufenden Herzerkrankungen nimmt ihre Häufigkeit stetig zu. Von schweren Formen abgesehen sind die Behandlungsmöglichkeiten gut.

 

Leitbeschwerden

  • Müdigkeit, Erschöpfung, Leistungsschwäche
  • Zunehmende Atemnot oder Herzstolpern bei körperlicher Belastung wie langen Spaziergängen oder Treppensteigen
  • Ödeme, vor allem sichtbar an den Unterschenkeln
  • Häufiges nächtliches Wasserlassen (Nykturie: eingelagerte Flüssigkeit kann nachts besser ausgeschieden werden)
  • Auffällig hervortretende Halsvenen

Im fortgeschrittenen Stadium auch:

  • Atemnot oder Husten im Liegen mit Besserung nach dem Aufstehen
  • Nächtliches Erwachen wegen Atemnot, asthma-ähnliche Atemgeräusche („Pfeifen“ bei der Ausatmung), blaue Lippen

Wann zum Arzt

In den nächsten Tagen, wenn

  • die körperliche Leistungsfähigkeit beunruhigend abnimmt.
  • bei alltagsüblicher Belastung (wie Treppensteigen über zwei Etagen) eine bisher nicht gekannte Atemnot auftritt.
  • sich Ödeme an den Unterschenkeln mit länger anhaltenden Druckdellen im Gewebe zeigen.

Heute noch, wenn

  • es zu anhaltendem Herzstolpern kommt.
  • das Atmen im Liegen schwerer fällt als im Sitzen.

Die Erkrankung

Lässt die Herzkraft nach, so wird nicht mehr genug Blut in die Schlagadern von Lungen- oder Körperkreislauf gepumpt und zugleich staut sich das Blut vor dem Herzen zurück – je nach Herzkammer (Rechtsherz- oder Linksherzbelastung) mit unterschiedlichen Auswirkungen.

Wenn die Pumpleistung der linken Herzkammer nachlässt (Linksherzinsuffizienz, Linksherzschwäche), staut sich das Blut in die Lungengefäße zurück. Durch den Blutstau tritt Flüssigkeit aus den Lungengefäßen ins Lungengewebe aus und es kommt zum Lungenödem („Wasser in der Lunge“). Erkennbar wird dies an Husten und Atembeschwerden, vor allem im Liegen, mit asthma-ähnlichen Atemgeräuschen (Asthma cardiale). Die Minderdurchblutung des Körpers beeinträchtigt die Muskulatur mit der Folge von Kurzatmigkeit und Leistungsschwäche bei körperlichen Anstrengungen, in ausgeprägten Fällen färbt der Mangel an Sauerstoff die Lippen blau-violett (Zyanose).

Die rechte Herzkammer befördert das venöse Blut des Körpers in den Lungenkreislauf. Wenn ihre Pumpkraft nachlässt, staut sich das Blut in den venösen Blutgefäßen des Körperkreislaufs. Bei der Rechtsherzinsuffizienz (Rechtsherzschwäche) entwickeln sich in erster Linie gestaute Halsvenen, Beinödeme, eine geschwollene Leber, Bauchwassersucht (Aszites) oder auch eine Entzündung der Magenschleimhaut.

Als Ursache für eine chronische Herzinsuffizienz kommt eine Vielzahl an Erkrankungen in Frage. Der Arzt unterscheidet zum einen Grunderkrankungen des Herzens, allen voran

  • KHK, Koronare Herzkrankheit
  • Kardiomyopathien
  • Herzmuskelentzündungen
  • Herzklappenerkrankungen
  • Herzrhythmusstörungen

sowie Grunderkrankungen außerhalb des Herzens, die die Herzleistung stark beeinträchtigen, darunter am häufigsten

  • langjährig schlecht eingestellter Bluthochdruck
  • Blutarmut
  • Hormonstörungen der Schilddrüse, Nebenniere oder auf Ebene der Steuerhormone
  • Medikamentennebenwirkungen (z. B. Antidepressiva, Zytostatika)
  • Nierenfunktionsstörungen
  • Lungenerkrankungen.

Das macht der Arzt

Diagnosesicherung. Der Arzt muss vor allem die auslösende Ursache für die Herzinsuffizienz finden, da hiervon die Art der Therapie abhängt. Entscheidend ist neben der Anamnese eine sorgfältige körperliche Untersuchung:

  • Die Echokardiografie zeigt Auffälligkeiten am Herzen und den angrenzenden großen Gefäßen. Die Pumpfunktion, die Blutströme im Herzen und die Herzklappen sind einfach und schnell zu beurteilen. Die Echokardiografie eignet sich auch für Verlaufskontrollen.
  • Der Röntgenthorax offenbart die Herzgröße und ermöglicht die Suche nach Lungenstauung, Pleuraergüssen, Verkalkungen an Herzklappen, Gefäßen oder am Herzbeutel.
  • Das EKG hilft bei einer chronischen Herzinsuffizienz oft leider nicht weiter, weil das Ruhe-EKG nur diskrete Veränderungen zeigt und ein Belastungs-EKG unter ausreichender Belastung nicht durchführbar ist; am ehesten zeigt das Langzeit-EKG Herzrhythmusstörungen. Eine Herzkatheteruntersuchung ist deshalb oft unvermeidbar, wenn eine KHK als Ursache vermutet wird.
  • Bei schwerer Herzinsuffizienz ist die Ergospirometrie besonders zur Beurteilung des Leistungsvermögens im Verlauf geeignet. Hierzu werden Belastungs-EKG und Messung der Atemarbeit kombiniert. 

Therapie. Weil die Herzinsuffizienz zwar gut behandelbar, aber nicht heilbar ist, gilt es, die optimale Medikamentenkombination unter den vielfältigen Therapiemöglichkeiten zu finden. Hierfür sind wiederholte Kontrolluntersuchungen notwendig. Eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung ist deshalb wichtig.

Bevor lebenslang Medikamente verordnet werden, muss der Arzt zunächst versuchen, die auslösende Grundkrankheit, Herzinsuffizienz, zu behandeln. So kann eine Herzinsuffizienz bereits durch den alleinigen Einsatz eines Herzschrittmachers oder einer künstlichen Herzklappe beseitigt oder durch eine Gefäßaufdehnung oder Bypass-Operation deutlich gebessert werden.

Prognose

Eine chronische Herzinsuffizienz war noch vor 50 Jahren ein sicheres Todesurteil. Heute beeinflusst eine leichte und mittlere Herzinsuffizienz die Lebensqualität der meisten Patienten dagegen nur wenig. Eine höhergradige Herzinsuffizienz ist aber auch heute noch mit erhöhter Sterblichkeit verbunden. Tritt Atemnot bereits bei alltäglicher leichter Belastung auf (NYHA III), so sterben 15 % der Betroffenen innerhalb eines Jahres, bei Atemnot bereits in Ruhe (NYHA IV) sind es über 40 %.

Selbsthilfe

Medikamente sind zwar der wesentliche Bestandteil der Herzinsuffizienztherapie – aber nur dann, wenn Sie Ihren Alltag an die Erkrankung anpassen, erreichen Sie eine zufriedenstellende Lebensqualität. Tun Sie alles, um ein Voranschreiten der Herzinsuffizienz in die gefährlichen Stadien NYHA III und IV hinauszuzögern! Folgende Punkte sind besonders wichtig:

Trinkmenge. Zuviel Flüssigkeitszufuhr belastet das Herz und verschlechtert die körperliche Leistung. Legen Sie deshalb zusammen mit Ihrem Hausarzt die geeignete Trinkmenge mit Hilfe einer Flüssigkeitsbilanz fest. Flüssigkeit wird neben dem Trinken auch in versteckter Form (z. B. mit Suppen, Gemüse, Salaten, Obst, Kompott oder Joghurt) aufgenommen. Durch tägliches Wiegen bemerken Sie rechtzeitig die Einlagerung von Flüssigkeit ins Gewebe. Insbesondere eine rasche Gewichtszunahme (z. B. 1 kg in 24 Stunden) spricht für ein Ungleichgewicht zwischen Flüssigkeitszufuhr und -ausscheidung.

Essen. Wenn Sie an Übergewicht leiden: Normalisieren Sie Ihr Gewicht. Dabei kann Ihnen die Herzinsuffizienz sogar helfen, denn sie führt wegen gestauter Venen im Magendarmtrakt auch zu Appetitlosigkeit. Wenn Sie allerdings zu Untergewicht tendieren, müssen Sie auf eine ausreichende, leicht verdauliche, gesunde Ernährung achten.

Gehen Sie sparsam mit Kochsalz um, indem Sie stark gesalzene Nahrungsmittel meiden. Beim Essen nicht nachsalzen, auf Fertiggerichte und Konserven verzichten (weil diese stets mit viel Salz zubereitet werden), beim Selbstkochen Gewürzkräuter statt Kochsalz verwenden und natriumarmes Mineralwasser trinken.

Alkohol schädigt direkt den Herzmuskel, der Alkoholkonsum sollte deshalb minimiert werden. Bei alkoholbedingter Herzmuskelschädigung ist absoluter Alkoholverzicht eine Selbstverständlichkeit.

Rauchen. Rauchen schädigt die Herzkranzgefäße akut und auf Dauer, zudem verstärkt es die Atembeschwerden. Sie sollten deshalb möglichst bald aufhören; ärztliche Hilfe kann diesen Schritt erleichtern.

Bewegung. Auch wenn die chronische Herzinsuffizienz zu belastungsabhängiger Atemnot führt, ist ein leichtes Bewegungstraining hilfreich. Von wenigen Ausnahmen abgesehen (z. B. akute Herzmuskelentzündungen) wird ein regelmäßiges, individuell angepasstes Training unter ärztlicher Aufsicht empfohlen, weil es die körperliche Leistungsfähigkeit verbessert. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt darüber und erkundigen Sie sich, wo sich in Ihrer Nähe ärztlich begleitete Herzsportgruppen treffen. Im Stadium III der Herzinsuffizienz ist ein Bewegungstraining nur in eingeschränkter Form mit ausgiebigen Ruhephasen möglich. In Stadium IV beschränkt sich die Übungstherapie auf Umlagerungsübungen der Arme und Beine zur Thrombosevermeidung.

Schlafen. Schlafen mit erhöhtem Oberkörper entlastet das Herz – ab NYHA III sollten Sie es zur Regel machen.

Impfen. Nutzen Sie die Möglichkeit der jährlichen Grippeschutzimpfung, denn eine Lungenentzündung oder eine andere schwere Infektion kann Sie im wahrsten Sinne des Wortes das Leben kosten.

Reisen. Bedenken Sie bei der Urlaubsplanung, dass ein Aufenthalt in großer Höhe sowie heißes, schwüles Klima die Beschwerden der chronischen Herzinsuffizienz verstärken. Ab NYHA III sollte auch Ihr Urlaubsort über qualifizierte Ärzte verfügen.

Vorsorge

Sie können einer chronischen Herzinsuffizienz nur durch konsequente Behandlung der auslösenden Grunderkrankungen und durch Minimieren der Risikofaktoren vorbeugen. Viele Herzinsuffizienzen könnten verhindert werden, wenn der Bluthochdruck gut eingestellt wäre und die Risikofaktoren einer KHK gemieden würden.

Komplementärmedizin

Pflanzenheilkunde. Eine vieldiskutierte Ergänzung zur schulmedizinischen Therapie sind Crataegus-Extrakte, die aus den Blüten und Blättern des Weißdorns hergestellt werden. Die Droge enthält als wirksame Bestandteile Flavonoide (sekundäre Pflanzenstoffe) und Procyanidine. Ihre wichtigste herzwirksame Eigenschaft ist die Verbesserung der Kontraktionskraft und damit der Leistungsfähigkeit des Herzens, da die Flavonoide – ähnlich wie Extrakte aus dem Fingerhut (Digitalis), wenn auch in geringerem Maße – die Calciumkonzentration in den Zellen erhöhen. Außerdem verringern Weißdornextrakte den Widerstand in den Blutgefäßen und verbessern so die Durchblutung in den Herzkranzgefäßen. In klinischen Studien wurden die typischen Symptome der leichten und mittleren Herzinsuffizienz (NYHA-Stadium I und II), z. B. Erschöpfung und Atemnot bei Belastung, damit gelindert. Therapeutische Erfolge sind allerdings nur zu erwarten, wenn standardisierte Fertigarzneimittel und keine Weißdornsäfte oder ähnliches eingesetzt werden. Sie garantieren die empfohlene Tagesdosis von 160–900 mg nativem Crataegus-Auszug. Ob Crataegus-Extrakte auch die Sterblichkeit bei Herzinsuffizienz senken, wird derzeit in der europäischen SPICE-Studie geprüft.

Akupunktur. Die Akupunktur bessert zwar nicht die Schlagkraft des Herzens selbst, doch die typischen Symptome der chronischen Herzinsuffizienz. Das Nadeln von Punkten, die laut TCM allgemein Kraft geben und das Nervensystem beeinflussen, bessert die Skelettmuskelarbeit der Patienten, sodass sie beispielsweise länger zu Fuß gehen können und belastbarer sind.

Entspannungsverfahren. Tai Chi verbessert zwar nicht die physische Belastbarkeit der Patienten, dafür aber die Lebensqualität. Patienten, die in einer Studie an einem zwölfwöchigen Tai-Chi-Training teilnahmen, fühlten sich danach psychisch gesünder als Patienten, die kein Tai Chi machten. Auch motivierte das Trainingsprogramm die Patienten, künftig mehr Sport zu treiben.

Ansonsten kommen die gleichen komplementärmedizinischen Therapien wie bei KHK in Frage.